Über die Verschränkung von Frauenhass, Rechtsterrorismus und Rassismus
Erst kürzlich veröffentlichte das Bundeskriminalamt Statistiken zum Thema häusliche Gewalt. Allein für das Jahr 2019 werden 141.000 Fälle häuslicher Gewalt gezählt. Die Opfer waren zu 81 Prozent Frauen. „Das sind höchst alarmierende Zahlen“, sagt Sarah Peters, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nienburg, „die aber wegen der großen Dunkelziffer nicht einmal das ganze Ausmaß der Gewalt gegen Frauen abbilden.“
Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 111 Morde und 192 Mordversuche an Frauen durch (Ex-)Partner. Medial werden die Taten häufig als Beziehungstaten und tragische Einzelfälle bezeichnet. „Es lässt sich allerdings viel mehr von einer Struktur sprechen. In Südamerika hat sich der Begriff Femizid etabliert“, so Sarah Peters.
Femizid bezeichnet das von privaten und öffentlichen Akteur*innen begangene Töten oder die tolerierte Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Unter dem Begriff werden alle Formen der Gewalt gegen Frauen gesammelt, welch letztlich zum Tode führen.
Dazu zählen z.B. auch Amokläufe oder Terroranschläge. Häufig werden Amokläufe noch immer einer einzelnen fehlgeleiteten Person zugeordnet. Einsame Einzeltäter. Terroranschläge werden medial i.d.R. lediglich eindimensional betrachtet: Rassismus, Antisemitismus oder Islamismus. Es wird wenig Augenmerk auf die Verschränkung von all diesen Dimensionen gelegt.
Zuletzt wurde diese Mehrdimensionalität allerdings in Halle deutlich. 2019 versuchte ein bewaffneter Mann in eine Synagoge einzudringen, um dort Menschen zu töten. Nachdem ihm das allerdings nicht gelang, tötete er vermeintlich zufällig andere Personen. Er später wurde sehr klar deutlich, dass der Täter sich im Vorfeld, aber auch während der Tat konkret antifeministisch und rassistisch verhielt.
Der Täter stammt, wie so viele andere, aus der sogenannten INCEL-Szene. Eine Szene, die sich vornehmlich im Internet aufhält, sich hier in Foren schwer frauenhassend, antifeministisch, rassistisch und antisemitisch äußert. Die vermeintlichen Einzeltäter radikalisieren sich hier gegenseitig. Frauenhass, Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus bilden die Motive der Täter und die Betroffenen sind überwiegend Frauen.
Die Taten sind bekannt: Christchurch, Utøya, Isla Vista, Toronto, Halle.
„Zu selten wird über die Zusammenhänge und das größere, dahinterstehende Problem gesprochen. Es ist immer wieder von Einzeltaten die Rede und nie von Femiziden, obwohl die Forschung da klare Einblicke schafft“, so Peters weiter.
Eine digitale Ausstellung der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Nienburg soll nun dazu beitragen, die Zusammenhänge besser zu verdeutlichen. Auf dem Instagram-Kanal @sag.es.wie.es.ist_ werden seit Montag, 23.11.2020 täglich Informationen und zusammengestellt und jeden Tag ein neuer Beitrag geteilt. Die Ausstellung wird dauerhaft bestehen bleiben und allen Interessierten digital zur Verfügung stehen. Die Ausstellung ist über den Link www.instagram.com/sag.es.wie.es.ist_ einzusehen.
Um dennoch auch ein Vor-Ort-Angebot zu schaffen, ist die Ausstellung im Rathaus Nienburg zugänglich. Aufgrund der aktuellen Beschränkungen im Publikumsverkehr braucht es eine Anmeldung bei Sarah Peters unter 05021 87 361 oder per Mail unter s.peters@nienburg.de.
Darüber hinaus wird die Ausstellung in Form eines Informationshefts erscheinen und auf der Homepage der Stadt Nienburg/Weser zum Download zur Verfügung stehen.